Das neue Jahr hat soeben begonnen und man lässt sich in das KHM Wien dirigieren, das, wohlgemerkt, offen hat und an diesem Tag, also einem 1. Jänner, auch sehr gut frequentiert ist.

Nachdem der Besucher von einem asiatischen Touristen, der auf die obligatorische Frage des Ticketverkäufers "Woher kommen Sie, bitte", die gut akzentuierte Antwort "Deutschland" vernommen hat, gibt man seinerseits als Wohnort, trotz gezückter Rabattkarte, die hier leider trotzdem nicht gilt, "Wien" an; und schon findet sich der Kunstinteressierte versunken zwischen zumeist sehr wertvollen Kunstgegenständen in der Ausstellung der Kunstkammer Wien.

Hier beispielsweise ein Krug, der aus Bergkristall geschliffen wurde ...

... oder eine Allegorie der vier Jahreszeiten. Der Beobachter notiert, dass die jungen Damen die schönen Jahreszeiten, also Frühling und Sommer, die beiden älteren Herren im Hintergrund die wohl weniger beliebten, nämlich Herbst und Winter, darstellen sollen.

Ein andere Allegorie hat der Leser später dann, daheim, aus einer Textbeschreibung übernommen, eine fünfte Jahreszeit, vielleicht, von Friedrich Nietzsche umschrieben als: "Die Wahrheit hieß das alte Weib". Das ist aber nur ein Detail am Rande und tut dem Museumsbesuch keinen Abbruch, denn es geht weiter mit der berühmten Saliera ...

... welche eigentlich erst nach dem Diebstahl wirklich bekannt geworden ist. Zudem kann man zum Beispiel ein wunderschönes Prunkbecken, eine sogenannte Trionfi-Garnitur, hier eine Unterplatte abgebildet, ...

... einen mechanischen Himmelsglobus, ...

... eine Schüssel mit einem chinesischen Glückssymbol, ...

... und eine Tischsonnenuhr zu bewundern.

Ariadnes Faden

Langsam geht es sozusagen nach Rom, wo steinerne Köpfe auf Podesten ausgestellt sind, welche heutigen Menschen gar nicht so unähnlich aussehen ...

... und nach Griechenland, wo ein römisches Mosaik die Legende um "Das Haus des Asterion", wie es ein argentinischer Schriftsteller betitelte, darstellt.

Es folgt Isis, dem Vernehmen nach eine Vorlage für die Muttergottes. Sie trägt in der linken Hand einen Krug, was ein wenig an ein Zitat aus dem Neuen Testament, Lukas Kapitel 22, erinnert:

"Siehe, wenn ihr hineinkommt in die Stadt, wird euch ein Mensch begegnen, der trägt einen Wasserkrug, folget ihm nach in das Haus, da er hineingeht, und saget zu dem Hausherrn: Der Meister läßt dir sagen: Wo ist die Herberge, darin ich das Osterlamm essen möge mit meinen Jüngern?"

Der Besucher erinnert sich wieder daran, dass sich derartige Prophezeiungen je nach Betrachtungsweise auch auf astrologische Ereignisse beziehen könnten, und zwar, in diesem Fall, auf das Zeitalter des Wassermanns, was dem gegenwärtigen der Fische, welches Christus zugeschrieben wird, folgen soll.

Zusätzlich mag sich der Reisende ins Gedächtnis rufen, dass der Frühlingspunkt (0°) in der Ekliptik auf den 21.03. fällt, was in etwa mit dem Datum des Osterfests übereinstimmt. Dieser Punkt wandert tatsächlich, bedingt durch die Präzession (das periodische "Schlagen") der Erdachse, im Kreis. So hat das (astronomische, nicht astrologische) platonische Zeitalter der Fische in etwa um 100 v. Chr. begonnen und wird nach gängigen Quellen um 2700 n. Chr. enden.

Allerdings: diejenigen Quellen, welche die erwähnte Verbindung zwischen Theologie und Astrologie herstellen, sind berechtigterweise sehr umstritten und zum Teil schlichtweg falsch. Vielleicht ist dieses gegenständliche Jesuszitat ja ein Zufallsfund, man weiß es jedenfalls nicht.

"Do what thou wilt (but do it under will)", wandelt der Reisende frei zitierend ab und gewinnt Distanz.

Mächtig die, für die Weltausstellung 1873 nach Wien gebrachten, ägyptischen Säulen.

Bei den Bildern stolpert man über das Gemälde "Die vier Flüsse des Paradieses" (1615) von Peter Paul Rubens, hier wieder eine Allegorie, wo die menschlichen Figuren (die damals bekannten) Kontinente und deren zugehörige Hauptflüsse darstellen, von links nach rechts Europa mit dem Donaugott, Nil mit der schwarzen Afrika, der Rio de la Plata mit Amerika und die blonde Frau Asien mit dem Ganges.

Der Besucher betrachtet die "Gewitterlandschaft mit Philemon und Baucis" (1625) von Peter Paul Rubens, deswegen markant, weil von der Mitte weg immer etwas zugestückelt wurde, wie man bei den Untersuchungen entdeckte, ...

...  den "Turmbau zu Babel" (1563) von Pieter Bruegel d. Älteren ...

und "Die Malkunst" (1666/68) von Johannes Vermeer.

Man lernt, dass Johannes Vermeer im Verhältnis sehr wenige Bilder gemalt hat, diese jedoch mit teurem Material, weil er die Malerei nicht als Brotberuf ausüben musste und deshalb sichtlich in der Lage war, gut bezahlte Auftragsarbeiten zu ergattern.

Schließlich geht es noch in die Münzausstellung "In 80 Münzen um die Welt", wo unter anderem das quadratische Loch einer chinesischen Münze auffällt. Lange zuvor hatte man irgendwann gelesen, dass diese Münzen durch diese Löcher hindurch aufgefädelt und auch als "Käsch" bezeichnet wurden.

Interessanterweise hat sich vor vielen Jahren so eine alte Münze in der Erinnerungskiste des Autors verfangen, kaum mehr nachvollziehbar, woher, nun als kleiner Talisman im Dunkeln ruhend.